Informationen und Tips zur medizinischen Doktorarbeit
Dissertation in Medizin und Zahnmedizin
Die Dissertation im Fachbereich der Medizin oder Zahnmedizin stellt einen sehr
wichtigen Abschnitt im Leben von Ärztinnen und Ärzten dar. Sei es, dass sie sich noch
im Studium befinden oder aber bereits als approbierte Mediziner tätig sind. Es handelt
sich um einer echte Herausforderung. Aber es ist auch eine Chance.
Bedeutung und Aufwand
Die Bedeutung der Promotion ist für Mediziner relativ hoch. Dies ist auch ein Grund
dafür, weshalb geschätzte 70 bis 80 Prozent aller (angehenden) Ärztinnen und Ärzte
eine Doktorarbeit anstreben. Verglichen mit anderen Disziplinen, wie etwa Physik oder
Chemie, ist der Doktortitel im Fach Medzin vergleichsweise einfach zu erlangen.
Immerhin müssen nach dem Studium bzw. der erfolgreichen Approbation in der Regel
nicht erst noch mehrere Jahre einer wissenschaftlichen Assistenz angehängt werden,
um zum Ziel zu kommen. Trotzdem - der Weg kann schwer und kräftezehrend sein;
und nicht selten wird der Aufwand deutlich unterschätzt.
Quote der Abbrecher
Legt man die Ergebnisse einer Dissertation zu Grunde, deren Ziel es war, mehr über
den Abbruch medizinischer Doktorarbeiten zu erfahren, so sind es immerhin etwa 25
Prozent der Promovierenden, die Ihre Arbeit nicht zum Abschluss bringen (Hölscher
2006).
Die Ursachen für solche Abbrüche sind vielfältig. Zwei Aspekte stechen jedoch auffällig
hervor:
1.
Die Doktoranden fühlen sich vom Betreuer der Arbeit unzureichend
unterstützt. Laut Hölscher bemängelten dies rund die Hälfte der Abbrecher.
Und in vielen Fällen dürfte dieses Gefühl auch tatsächlich zutreffen. Es wird
bemängelt, dass der Betreuer oft nur schwer erreichbar ist und dass bei
Schwierigkeiten keine ausreichende Hilfe erfolgt. Inwiefern es eine Rolle spielt,
dass Betreuer und Doktorvater oder -Mutter in der Regel meist nicht ein und
dieselbe Person sind, bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt. Tatsache ist, dass
es sich in etwa 80 Prozent der Fälle, beim Betreuer um einen Assistenten des
eigentlichen Dr.-Vaters handelt (oder um eine anderweitig fachlich untergebene
Person).
Aus der Zusammenarbeit mit vielen Doktorandinnen und Doktoranden ist mir in
diesem Zusammenhang jedoch eine Sache aufgefallen:
Junge und sehr ambitionierte Betreuer sind vielfach zwar in ausreichenden Maß
für ihre Doktoranden da, sie können ihren Schützlingen jedoch durch immer
wieder neue Ideen und Änderungswünsche die Arbeit ganz beträchtlich
erschweren. Vor diesem Hintergrund sind Promoviernde oft besser beraten,
wenn sie unmittelbar vom Professor oder Privatdozenten betreut werden, auch
wenn diese oft nur wenig Zeit haben. Erfahrungsgemäß sind ‘echte’ Doktorväter
jedoch im Gegenzug für den Betreuungsmangel bisweilen großzügiger, was die
Beurteilung der Díssertation anbelangt. Sie sind weniger fordernd. Sie verlangen
nicht die 150-prozentig perfekte Arbeit, sondern lediglich eine ausreichende.
Wie man sieht, hat eben Vieles zwei Seiten - ganz wie im sonstigen Leben auch.
2.
Der Aufwand, der mit einer Dissertation verbunden ist, wird oft deutlich
unterschätzt. Einer der Gründe dafür, dass der Aufwand viel größer wurde als
erwartet, ist sichrlich die oben erwähnte Ambition des Betreuers, der nicht müde
wird, immer wieder neue Aspekte in den Entwurf der Doktorarbeit einbringen zu
wollen.
Wie groß ist der Zeitaufwand wirklich?
Es gibt Extremfälle, in denen Doktorväter und -Mütter, einschließlich der
Zweitgutachter und der Promotionsbüros, sehr großzügig zu sein scheinen, was den
Umfang und die Qualität von medizinischen Dissertationen betrifft. Dies ist vermutlich
auch mit ein Grund dafür, weshalb Doktorarbeiten von Medizinern ein wenig ins
schlechte Licht geraten sind.
In solchen Fällen ist es möglich, dass jemand in kurzer Zeit eine Doktorarbeit abfasst,
die vielleicht gerade einmal 25 bis 30 Textseiten umfasst. Hier dann noch von
wissenschaftlicher Arbeit zu sprechen kommt sicherlich einer Verhöhnung all jener
promovierten Mediziner gleich, die eine ordentliche Arbeit geleistet haben. Und die
Zahl dieser Mediziner ist ohne jeden Zweifel weitaus größer als jene Zahl der
Schmalspur-Promovenden.
Doch kommen wir zurück zum eigentlichen Thema - dem zeitlichen Aufwand. Die
Befragung von etwa 200 Studenten und Ärzten durch Hölscher (2006) ergab in etwa
folgendes Bild:
•
Aufwand für die experimentelle Arbeit, also für den praktischen Teil: ca. 200 bis
500 Stunden.
•
Vorbereitung und Datenerfassung: ca. 200 Stunden.
•
Auswertung und Statistik: ca. 100 Stunden.
•
Schriftliche Abfassung der Dissertation: ca. 100 bis 200 Stunden
Kock et al. (2000) ermittelten, dass im Durchschnitt bis zur Abgabe der Dissertation
ungefähr 36 Monate vergehen können. Hölscher schätze aufgrund jener Angaben den
Gesamtaufwand in Stunden auf etwa 1000; die Hälfte davon für den theoretischen Teil,
also das Auswerten und Schreiben.
Hat man also den klinischen oder praktischen Teil seiner Arbeit erledigt, und glaubt
somit den größten und vielleicht schwierigsten Teil bereits hinter sich zu haben, so
liegen laut Hölscher (und anderen Autoren) noch ohne Weiteres 300 Stunden
geistiger Arbeit vor einem - zum Teil sogar noch viel mehr. Und wenn das Schreiben
dann auch noch mit größeren Unterbrechungen und/oder Schreibblockaden verbunden
ist, dann wird der theoretische Teil der Doktorarbeit zum schier unüberwindlichen
Hindernis. Ein Betreuer, der hierbei dann auch noch durch seine Ambitionen eher
Hemmschuh als Helfer ist, führt schließlich in vielen Fällen zum Dissertations-Abbruch.
Letzteres ist bedauerlich, weil man bereits sehr viel Zeit in seine Doktorarbeit investiert
hat. Die Frustration dabei ist immens.
Um dieses Problem und die Gefahr des Scheiterns zu umgehen, ist es dringlich
anzuraten, den Zeitaufwand nicht zu unterschätzen. Gemeint ist hierbei
insbesondere der Aufwand von etwa 300 Stunden (oder mehr) für die Arbeit am
Schreibtisch bzw. am PC.
Der dringliche Ratschlag: Planen Sie genug Zeit und Freiräume ein, um die
Dissertation zu schreiben. Und rechnen Sie mit Gegenwind und Rückschlägen.
Wann immer möglich, sollte die Arbeit abgeschlossen sein, bevor man ins Berufsleben
einsteigt. Ist man erst einmal voll in der Klinik eingespannt, dürfte es schwierig werden,
sich die notwendigen zeitlichen Freiräume zu schaffen.
In jedem Falle sollte man bereits in der praktischen Phase damit beginnen, Literatur zu
sammeln und auszuwerten. Dies schärft auch den Blick für die eigene Arbeit und deren
Ergebnisse selbst. Am besten ist es, wenn man sich zu jeder Publikation, die man
gelesen hat, gleich ein paar Notizen macht. Diese lassen sich dann später zu einem
großen Ganzen zusammenführen. Diese Form der Zitatensammlung stellt ein gutes
Grundgerüst für die eigentliche Dissertation dar - die Abfassung wird wesentlich
erleichtert.
Zeitmanagement und der Faktor Stress
Zeitmanagement und Zeitmangel sind also aus den oben genannten Gründen zwei
extrem wichtige Variablen bei der Promotion. Sie können auf zwei Ebenen mit einem
Scheitern in Verbindung stehen.
Dahl (1976) und Bergmeyer (1998) wiesen bereits von längerem zu Recht darauf hin,
dass der Zeitmangel des Bereuers die Abbruchwahrscheinlichkeit erhöht. Das selbe
gilt natürlich auch für den Zeitmangel und Zeitdruck des Doktoranden selbst. Etwas
unter Druck erledigen zu müssen kann letztlich nur zu Stress führen. Und Stress ist ein
schlechter Motivator! Vielemehr ist Stress ein echter Motivationskiller und eine häufige
Ursache von Denk- und Schreibblockaden.
Nehmen Sie sich Zeit. Lassen Sie sich Zeit. Räumen sie sich aber auch genügend Zeit
ein, denn wo nichts ist, da kann man auch nichts nehmen. So einfach kann
Zeitmanagement sein. Aber so leicht es klingt, so schwer ist es gleichzeitig. Der Grund:
Fehleinschätzungen, Unterschätzungen und ein zu optimistisches ins Blaue hinein
denken. Optimismus ist gut, aber die Realitäten sollte man trotzdem nie aus dem Auge
verlieren.
Gemäß Bergmeyer (1998) und Bruggenjürgen (1996) scheitern fast 40 Prozent der
Promotionsabbrecher am zu hohen Zeitaufwand. Oder eben am falsch eingeschätzten
Aufwand.
Wozu überhaupt promovieren?
Dies ist eine Frage, die sich meines Erachtens gar nicht ernsthaft stellt. Auf eine
Promotion und den damit verbundenen Dr.-Titel sollte allenfalls der verzichten, der sich
später niederlassen möchte. Doch ist es auch für diese Gruppe keine gute Idee, auf
den Titel zu verzichten. Warum? ganz einfach: Das Fehlen des Dr. med. auf dem
Praxisschild macht sich meist nicht besonders gut.
Für alle, die sich auf der beruflichen Karriereleiter nicht selbst im Weg stehen wollen,
ist es mehr als empfehlenswert, sich um eine Promotion zu bemühen. Und noch
wichtiger! Diese auch zu einem Abschluss zu bringen. Die Benotung ist dabei durchaus
zweitrangig, sofern man nicht den Weg in die Forschung anstrebt. Selbstverständlich
sollte dennoch alles unternommen werden, eine gute Bewertung zu erzielen -
wenigstens ein ‘cum laude’. Freilich ist ein ‘magna cum laude’ durchaus noch schöner
anzusehen und dürfte einen mit Stolz erfüllen. Doch wie gesagt: Wichtig ist es,
überhaupt die ersehnte Promotionurkunde zu bekommen. Man muss sie sich ja nicht
zwingend irgendwo an die Wand hängen.
Doch zurück zum Thema. Die Doktorarbeit ist deshalb von Bedeutung, weil sie zu
Recht gemeinhin als Karriere-Beschleuniger betrachtet wird.
Ohne Titel ist vielfach die Anstellung an einer Universitätsklinik ausgeschlossen. Für
das Weiterkommen, auch an Kliniken außerhalb der Universität, gilt das Selbe.
Oberarzt ohne Dr.-Titel zu werden dürfte ziemlich schwierig werden. Und für alle die
ihre Zukunft in Industrie und Forschung sehen, gilt die Promotion quasi als
Grundvoraussetzung.
Es geht aber auch ums liebe Geld. Der Verzicht auf den Doktortitel bedeutet sehr
hohe finanzielle einbußen. Im Laufe eines Berufslebens können sich hier Summen
aufaddieren, die im Bereich von mehreren 100.000,- Euro liegen. Alleine das Warten
auf eine Beförderung wegen eines fehlenden Titels kann sich in nur einem Jahr schon
auf leicht 10.000 bis 20.000 Euro belaufen. Wohlgemerkt: in EINEM Jahr!
Es lohnt also, sich alle nur erdenkliche Mühe zu geben und alle verfügbaren Register
zu ziehen. Am Ball bleiben ist alles, auch auf dem Weg zum Doktor der Medizin.
(c) Dr. E. Hohlfeldt - Tel. 07621 - 91 69 599